Außenseiter:innen, also marginalisierte Gruppen in einer Gesellschaft wahrzunehmen, ihre Lebensbedingungen zu registrieren, zu erforschen und öffentliche Sichtbarkeit für sie einzufordern, ist das Hauptanliegen des künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekts. Sie alle leiden unter ähnlichen systematischen Exklusionsverfahren, die sie immer wieder und immer weiter an den gesellschaftlichen Rand drängen. Im Unterschied zu ihren männlichen Leidensgenossen gelten drogensüchtige Frauen in europäischen Gefängnissen als ein solches »vernachlässigbares Phänomen«. Dem widerspricht die Arbeit der OUTCAST REGISTRATION, indem es das Bedürfnis der Teilnehmerinnen wahrnimmt, ihre Lebenswege zu einer öffentlichen Angelegenheit zu machen, was schließlich auch heißt, einen Teil der Verantwortung für ihre Erkrankung der Gesellschaft zurückzugeben.
Akronym für den Projekttitel THIS BABY DOLL WILL BE A JUNKIE, der suggeriert, dass Drogensucht ein zwangsläufiges Schicksal ist, eine unheilvolle Prophezeiung für ein Menschenleben, das kaum begonnen hat. Er widerspricht zum einen gängigen Vorstellungen von Freiheit, Unabhängigkeit, Chancengleichheit und individueller Selbstbestimmung als garantierten, unanfechtbaren Rechten jedes Individuums. Zum anderen kritisiert er auch eine fatale Konsequenz dieses Ideals, das häufig mit der vermeintlichen Berechtigung einhergeht, die Drogenerkrankung und die daraus resultierenden Gesetzesverstöße als rein individuelle Angelegenheit persönlichen Versagens zu verurteilen. Dieses Nicht-Betrauern derjenigen, denen bereits ein lebenswertes Leben abgesprochen wurde, diskreditiert Verbundenheit, d.h. die Bereitschaft, sich in Gleichheit und Verschiedenheit auf eine gemeinsame Welt einzulassen.
Jahrgang 1976, nimmt 2000/01 in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta/Niedersachsen am Projekt »Kollektion Gefängnis Kleidung« teil und wird währenddessen clean. Nach Abschluss des Projekts begibt sie sich zum ersten Mal in eine stationäre Therapie, in der sie mit den Ursachen ihrer Drogenerkrankung konfrontiert wird. In der zweiten Phase der Therapie unter halboffener Betreuung wird sie rückfällig, lebt auf der Straße von Prostitution und wird kurze Zeit später erneut inhaftiert. Rebecca Mertens’ Lebensweg ist geprägt vom Drehtüreffekt und darin exemplarisch, ihre radikale Offenheit und Selbstbetrachtung hingegen sind außergewöhnlich. Die Zusammenarbeit ist von Beginn an intensiv und hält trotz längerer Pausen bis heute an. Ihre Biografie ist die stärkste Aufforderung, die Lebensbedingungen von Frauen in europäischen Gefängnissen vor und nach Beginn ihrer Drogenerkrankung zu registrieren und weiter zu erforschen.
ein Kernelement des künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsansatzes aller Projekte, das sowohl die Zusammenarbeit mit den strafrechtlich verurteilten, drogenkranker Frauen, mit Kolleg:innen, Wissenschaftler:innen und Institutionen kennzeichnet als auch den Dialog mit Spezialist:innen verschiedener Fachgebiete wie Philosophie, Kunst(-theorie), Psychiatrie, Soziologie, Politologie, Rechtswissenschaften. Durch das teils direkte, teils vermittelte Verknüpfen unterschiedlicher Expertisen wird die Wissenszirkulation im Netzwerk der OUTCAST REGISTRATION erweitert.