Outcast Registration

nachruf melanie niedermeyer

29 Februar 2024

21.09.1988 – 01.2024

Am zweiten Tag der parrhesia-Projektausführung in der Justizanstalt Schwarzau überreicht uns die Teilnehmerin Ivana Landmann den Brief ihrer Zellengenossin. In diesem Brief bittet uns die Insassin Melanie Niedermeyer inständig, am Projekt teilnehmen zu dürfen, obwohl sie sich nicht rechtzeitig angemeldet habe. Sie sagt erst durch die Berichterstattung ihrer Zellennachbarin verstanden zu haben, worum es im parrhesia Projekt gehe. Die Matrix und die biografische Arbeit und das Sprechen über ihr Leben würden ihr helfen, den Selbstmord ihres Bruders, den Tod ihrer Eltern und ihrer Großmutter zu verarbeiten. Alle seien während ihrer Haftstrafen gestorben, von keinem ihrer Angehörigen habe sie sich verabschieden - auf keiner der Beerdigungen anwesend sein können.

Sie hoffe sehr auf einen Platz im Projekt.

Die offizielle Anmeldung zur Projektteilnahme kann rasch erledigt werden und bereits nach der Mittagspause erscheint sie zusammen mit den anderen Teilnehmerinnen im Kultursaal der JA Schwarzau.

Melanie Niedermeyers Beitrag im Projekt ist eine Bereicherung. Von der Erstellung ihrer Matrix und ihrer Biografie, ihrer gewissenhaften Auflistung begangener und erlittener Straftaten bis hin zur Speech Activity, in der sie ihr Strafregister liest, zeigt sich der Mut einer Parrhesiastin: »Erzähle mir von dir selbst« greift ein tief verwurzeltes menschliches Bedürfnis auf – »Alles sagen bedeutet dann: die Wahrheit sagen, ohne einen Teil davon zu verbergen, ohne sie hinter irgendetwas zu verstecken.« (Michel Foucault)